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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 10.11.2011


Another Earth. Kinostart 10. November 2011
Nina Breher

Unter der Prämisse, dass eine zweite, identische Welt mit uns gleichenden AkteurInnen existiert, präsentiert uns der Film eine Figurenkonstellation, die so unlösbar scheint wie der gordische Knoten.




"Another Earth" ist ein auf die Leinwand gebrachtes Gedankenexperiment. Was wäre, wenn sich die Möglichkeit bieten würde, in eine andere Realität zu wechseln, die eine exakte Spiegelung der bereits bekannten Welt ist? Eine, in der die Dinge – vielleicht – ab einem bestimmten Punkt anders verlaufen sind? Unter Zuhilfenahme von physikalischen Theorien und in einer fiktionalen Welt, die sich an den äußersten Grenzen des Möglichen bewegt, stellt der Film die Frage nach der Lösbarkeit einer Schuldfrage, die pars pro toto für alles steht, was Menschen bereuen.

Nach dem Cannes-Gewinner "The Tree of Life" und dem opulenten Weltuntergangswerk "Melancholia", in denen die Darstellung von Planeten und ihr Potenzial, das Leben elementar zu verändern eine zentrale Rolle spielten, erforscht auch diese Independent-Produktion 2011 ein mit Magie behaftetes Forschungsfeld der Astrophysik. Nach Theorien, die derzeit weder be- noch widerlegt werden können, ist es möglich, dass es die Erde (und ihre BewohnerInnen) zwei-, drei- oder gar unendlich viele Male gibt.

Rhoda (Brit Marling) ist jung, intelligent und hat gerade ihre Zulassung für das MIT-College erhalten. Von hier aus nimmt die melancholische, aber nie melodramatische Handlung einen doppelten Lauf – es werden zwei parallele und doch ineinander verwobene Spuren verfolgt: Einerseits wird ein neuer Planet entdeckt, den die Menschen kurzerhand "Erde 2" taufen. Andererseits verursacht Rhoda in der Nacht der Entdeckung betrunken einen tödlichen Unfall, der den Komponisten John Burroughs (William Mapother) zum Witwer macht.

Wie nebenbei fragt der Film auf der zwischenmenschlichen Ebene nach Möglichkeiten der Wiedergutmachung und danach, ob diese tatsächlich für die Opfer geschieht – oder doch nur für die Schuldtragende Person selbst. Im Zusammenhang mit dem Unfall entwickelt sich eine gleichermaßen rührende und schockierende Geschichte über den Wunsch nach Vergebung und über die Unmöglichkeit, Geschehenes ungeschehen zu machen. Rhoda stellt sich John als Putzfrau vor, die beiden entwickeln eine immer intensiver werdende Beziehung zueinander, die die Vergangenheit ausklammert. John ahnt nicht, wer die Frau ist, die ihm unter die Arme greift und mit ihm Videospiele spielt.

"Another Earth" ist weder Sozialdrama noch Science Fiction, bedient sich jedoch bei Elementen beider Genres, indem eine anschauliche Korrespondenz zwischen Mikro- und Makrokosmos hergestellt wird. Die Möglichkeit einer parallel existierenden Welt wird konsequent durchgespielt und die Konsequenzen, die eine solche Entdeckung für Menschen haben könnte, mathematisch, soziologisch und künstlerisch erforscht.

Vielleicht ist es der niedrigen Budgetierung des Films (200.000 USD) zu verdanken, dass die Science Fiction-typischen Spezialeffekte ausbleiben. Abgesehen von wenigen Erzählerkommentaren (eingesprochen vom renommierten Physiker Dr. Richard E. Berendzen) vernehmen wir nur das, was die Menschen im Film auch sehen: Fernsehberichte, Radiokommentare und einen am Himmel stehenden Planeten, den alle wie paralysiert beobachten. In der Nacht ist es nicht mehr der Mond, der leuchtet, sondern "Erde 2". Außerdem erheischen wir Blicke auf Relikte im öffentlichen Raum, die davon zeugen, wie die Menschheit die bahnbrechende Neuigkeit aufnimmt. Zum Beispiel in Form von Graffitis ("The end of the world is here"), DemonstrantInnen ("Our memories are implant by Earth 2"), Gewinnspielen ("Gewinnen Sie eine Reise zu Erde 2!") und Gesprächen. "Erde 2" wird auch uns medial vermittelt, sodass der Film eher nach Realität fragt, als dass er diese bestätigt.

In einer bezeichnenden Szene erzählt Rhoda John die Geschichte von einem solitären Astronauten im Weltall, dessen Kapsel ein monotones Ticken von sich gibt: "Der einzige Weg, nicht verrückt zu werden, ist, sich in das Ticken zu verlieben." Frei nach diesem Motto fragen auch die beiden Handlungsstränge des Filmes nach der Möglichkeit, potenzielle Bedrohungen und unbekannte Größen lieben zu lernen.

AVIVA-Tipp: Jungregisseur Mike Cahill hat gemeinsam mit Brit Marling, die neben ihrem Auftritt als Rhoda auch am Drehbuch mitschrieb, ein phantastisch-deprimierendes, genreübergreifendes Spielfilmdebüt geschaffen. Eineinhalb Stunden fordert das Werk das logische Denken ebenso wie die emotionale Belastbarkeit heraus, testet Grenzen und Theorien, indem es das als unmöglich Erscheinende als real darstellt. Dieser Film ist ein Laborversuch, der nicht zuletzt mit der Kraft der Fiktion experimentiert. Wie die Physik es vom Weltall annimmt, korrespondiert auch in "Another Earth" alles mit allem, und zwar in undurchsichtiger, unkontrollierbarer Manier.

Another Earth
USA 2011
Regie: Mike Cahill
Drehbuch: Brit Marling und Mike Cahill
DarstellerInnen: William Mapother, Brit Marling
Verleih: Fox Deutschland
Lauflänge: 92 Minuten
Kinostart: 10. November 2011
www.another-earth.de

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Melancholia. Kinostart 06. Oktober 2011

Baikonur. Kinostart 01. September 2011


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Beitrag vom 10.11.2011

AVIVA-Redaktion